Erster Stolperstein in Brandis
Seit heute liegt in Brandis der erste Stolperstein der Stadt - im Gedenken an Ilse Gutowski, deren Wohnhaus am Markt 4 stand. Im Rahmen eines Jugendprojektes des Erich-Zeigner-Haus e.V. recherchierten Schülerinnen und Schüler der Klasse 10 a aus der Oberschule Brandis intensiv das Schicksal des 11-jährigen Mädchens, das am 25. August 1932 geboren wurde. Aufgrund körperlicher und geistigen Beeinträchtigungen wurde Ilse Gutowski am 19. Mai 1944 in die „Heil- und Pflegeanstalt“ Großschweidnitz eingeliefert. Nur wenige Wochen später verstarb das junge Mädchen am 27. Juni 1944 infolge einer Scharlachinfektion. Im Sommer 1944 brach im Krankenhaus Großschweidnitz wegen Überbelegung und schlechter hygienischer Verhältnisse eine Scharlachepidemie aus. Durch Vernachlässigung oder bewusste Fehlbehandlung der Krankheit durch Ärzte und Pflegpersonal starben neben Ilse Gutowski zahlreiche weitere Patientinnen und Patienten.
Die Jugendlichen arbeiteten während der Rekonstruktion der Biografie mit Originaldokumenten aus dem sächsischen Staatsarchiv und besuchten im Zuge des Projektes die Gedenkstätte Großschweidnitz. Dort erhielten sie eine Führung durch die Ausstellung und beschäftigten sich im Rahmen eines Workshops mit der Thematik der „Kindereuthanasie“ im Nationalsozialismus.
Seit Sommer 2024 recherchierten die Schülerinnen und Schüler das tragische Schicksal von Ilse Gutowski und sammelten Spenden für die Realisierung des Projektes mit dem Ziel, den ersten Stolperstein in Brandis zu verlegen. Stolpersteine sind Gedenksteine, die vor dem letzten selbstgewählten Wohnort verlegt werden. Die Steine erinnern an Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt, gedemütigt oder ermordet wurden. Die Idee der Stolpersteine stammt vom Künstler Gunter Demnig, der sich seit über 30 Jahren für eine lebendige Erinnerungskultur engagiert. Inzwischen gibt es in Deutschland über 100.000 Gedenksteine in fast 1.200 Orten und Gemeinden. Tief beeindruckt zeigte sich auch Bürgermeister Arno Jesse: „Es ist bemerkenswert, wie sich die Jugendlichen mit diesem Thema befasst haben. Etwa ein Jahr lang haben sie recherchiert, Archive und die Gedenkstätte besucht.“ Es sei gerade in der heutigen Zeit, in welcher Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert und bagatellisiert werden, wichtiger denn je, sich der Vergangenheit zu stellen und zu mahnen.

Der erste Stolperstein in Brandis wurde in Gedenken an Ilse Gutowski verlegt.
Foto: Stadt Brandis